NHL Playoffs 2018 – Stanley Cup Final – Vegas Golden Knights vs. Washington Capitals

NHL Playoffs 2018 – Stanley Cup Final – Vegas Golden Knights vs. Washington Capitals

Das unwahrscheinlichste Finale der NHL-Geschichte

Wie konnten sie soweit kommen?

Die Vegas Golden Knights ignorierten alle gängigen Weisheiten für Expansion Teams und erreichten bereits in ihrer ersten Spielzeit das Finale um den Stanley Cup. Nach dem Sweep in Runde eins gegen Los Angeles, war die Serie gegen San Jose der bisher größte Stolperstein für Las Vegas. Sechs Partien benötigten die Ritter gegen die Haie. Im Western Conference Final verloren die Golden Knights direkt Spiel eins bei den Winnipeg Jets, um dann vier Spiele in Folge zu gewinnen.

Im Gegensatz zu Vegas war der Verlauf der Playoffs für die Washington Capitals eine wesentlich größere Achterbahnfahrt. In der Auftaktrunde drehten die Capitals ein 0-2 gegen die Columbus Blue Jackets in sechs Partien. Auch die zweite Serie begann mit einer Heimniederlage, aber der Angstgegner aus Pittsburgh wurde mit 4-2 besiegt. Die Eastern Conference Finals begannen die Capitals dann mit zwei Siegen in Tampa, nur um die folgenden drei Begegnungen zu verlieren. In den abschließenden beiden Partien ließ Washington dann kein Gegentor zu, und erreichte nach sieben Spielen zum zweiten Mal in der Vereinsgeschichte nach 1998 das Finale um den Stanley Cup.

Wie gut kennen sich die Teams?

Selbstverständlich gab es noch keine Serie zwischen den beiden Teams. In der regulären Saison siegten die Knights im Heimspiel einen Tag vor Heiligabend mit 3:0. Den zweiten Vergleich am 04. Februar in Washington gewann ebenfalls Vegas, diesmal mit 4:3. Braden Holtby und Marc-André Fleury standen sich in keiner der beiden Partien gegenüber.

Trotzdem kennen sich einige Teilnehmer dieses Finales sehr gut. Nate Schmidt wurde von den Knights im Expansion Draft aus Washington verpflichtet. Der jetzige General Manager der Golden Knights George McPhee, war von 1997 bis 2014 der General Manager der Capitals. In dieser Funktion wählte er auch Alexander Ovechkin im Draft 2004 aus. Daneben stammen McPhee und der aktuelle General Manager der Capitals Brian MacLellan aus dem Ort Guelph in Ontario und spielten Anfang der 80er Jahr für die Bowling Green University. Marc-André Fleury gewann mit den Penguins alle drei bisherigen Vergleiche mit den Capitals in den Playoffs. Verteidiger Brooks Orpik stand bis 2014 zusammen mit Fleury für Pittsburgh auf dem Eis.

Was wird wichtig?

Keiner der beiden Vereine kann auf einen Erfolg in einem Stanley Cup Finale zurückblicken. Bei den Vegas Golden Knights ist diese Erkenntnis wenig überraschend. Washington stand zwar 1998 gegen die Detroit Red Wings im Finale, aber die Mannschaft um Torhüter Olaf Kölzig verlor alle vier Spiele gegen Detroit. Erfahrung ist also in den beiden Kadern wenig vorhanden. Zudem ist alleine das Erreichen der Finalserie für jedes der Teams eine Sensation.

Die Quote für den Gewinn des Stanley Cup lag für Las Vegas vor der Saison bei 200/1. Der Kader besteht aus den Spielern, die 30 andere Vereine nicht mehr in ihren Mannschaften haben wollten, weil sie zu schlecht, zu teuer oder zu alt waren. Auch Coach Gerard Gallant (s.u.) wurde von seinem letzten Arbeitgeber in Florida in ganz schlechtem Stil eher entsorgt, als entlassen. Genau das scheint dieser Ansammlung von scheinbar in der NHL Gescheiterten die Motivation und den Zusammenhalt zu geben, der diese sensationelle erste Spielzeit möglich gemacht hat.

Washington hatte vor dieser Spielzeit zwar eine Quote von 12/1 auf die Meisterschaft, doch auch die Capitals waren beileibe nicht mehr der Titelkandidat der vorherigen Jahre. Im Grunde entgegengesetzt zum Finalgegner musste Manager Brian MacLellan seinen Kader umbauen, weil die hochkarätig besetzte Mannschaft der letzten Jahre nicht mehr mit dem zur Verfügung stehenden Gehalt unter dem Salary Cap vereinbar war. Nach zwei Jahren als bestes Team der regulären Saison, schien der Höhenflug der Capitals beendet zu sein. Ohne Spieler wie Kevin Shattenkirk, Karl Alzner, Justin Williams und Marcus Johansson ging Washington arg dezimiert in die Spielzeit 2017/18.

Selbst der erneute Gewinn der Metropolitan Division wurde nicht als Zeichen der Stärke Washingtons, sondern als Schwäche der Pittsburgh Penguins in der regulären Saison gesehen. Spätestens nach der Niederlage in Spiel eins gegen den Titelverteidiger sah es so aus, als sollte erneut ein Jahr in der Hauptstadt ohne Stanley Cup, aber mit vielen Enttäuschungen enden. Doch diese Capitals sind anders. In allen Serien lag das Team zurück, dennoch stehen die Hauptstädter im Finale. Statt unter dem Druck nervös zu werden, antworten die Capitals, wie z.B. in Spiel sechs gegen die Lightning, mit Einsatz, Leistung und dem unbedingten Willen zum Sieg.

Zwei Teams, die auf den ersten Blick vollkommen unterschiedlich wirken, begegnen sich im Finale. Jetzt folgt die ultimative Bewährungsprobe. Wer kann die letzten Reserven aus sich herausholen? Welcher Torhüter bestätigt die Form der letzten Serien? Welche alten Bekannten haben eventuell den entscheidenden Geheimtipp für den Sieg? Nur eines ist sicher. Die NHL bekommt einen neuen Champion.

Wer macht die Tore?

Gerard Gallant betont gerne, dass er sich gar nicht richtig darauf festlegen kann, welche seiner Reihen die Topreihe wäre. Die Zahlen sprechen allerdings eine andere Sprache. Jonathan Marchessault , Reilly Smith und William Karlsson erzielten zusammen mehr als ein Drittel der Tore in den bisherigen Playoffs. Mit 47 Punkte in 45 Spielen ist diese Reihe eindeutig die beste und gefährlichste Kombination der Golden Knights. Den Capitals gelang es im Eastern Conference Finale bei fünf gegen fünf die Reihe von Steven Stamkos und Nikita Kucherov sehr gut zu kontrollieren. Deshalb wird es wichtig für Vegas, auch von Spielern aus den hinteren Reihen Unterstützung in der Offensive zu bekommen. Bisher konnten Alex Tuch (6) und James Neal (4) zumindest für etwas Entlastung sorgen. Dazu trafen die Verteidiger Shae Theodore, Nate Schmidt, Brayden McNabb und Colin Miller jeweils zweimal. Insgesamt hatte Las Vegas 14 unterschiedliche Torschützen.

Auch die Capitals haben eine erste Reihe, die mit 26 von 66 Toren den Hauptteil der offensiven Produktion bereitgestellt hat. Doch neben Ovechkin (12), Evgeny Kuznetsov (11) und Tom Wilson (3) haben auch weitere Spieler aus den anderen Reihen wie T.J. Oshie (7), Lars Eller (5), Devante Smith-Pelly (4) und Brett Connoly (4) häufiger getroffen. Washington hatte 17 verschiedene Torschützen und ebenfalls vier Verteidiger mit mindestens einem Tor. Ein X-Faktor könnte Andre Burakovsky werden. Der 23-jährige konnte bisher erst acht Spiele in den Playoffs absolvieren, erzielte aber im entscheidenden siebten Spiel gegen Tampa Bay zwei Tore.

Washingtons Angriff ist tiefer und besser besetzt. Aber das war der von San Jose und vor allem von den Winnipeg Jets auch. Können die Capitals ihr Potenzial auch in der Finalserie gegen die Golden Knights und Marc-André Fleury abrufen?

Wer hält die Pucks?

Eben jener Fleury hat bisher in den Playoffs 94,7 % der gegnerischen Schüsse gehalten und nur 1,68 Gegentore pro Spiel kassiert. Aber gegen die Jets blieb Fleury erstmals in dieser Endrunde ohne einen Shutout. Doch vor allem in den Spielen drei und vier zeigte der Kanadier wieder sehr gute Reflexe und brachte die Stürmer von Winnipeg mehrfach zur Verzweiflung. Bis zum Finale hatte Marc-André Fleury noch kein schlechtes Spiel bzw. die Abwehr von Vegas räumte Abpraller und gegnerische Stürmer sehr gut vor seinem Tor weg. Kann Fleury auch im Finale ohne Ausrutscher bleiben? Und wie reagiert der dreimalige Champion und sein Trainer Gallant, wenn Fleury doch einen schlechten Start erwischt?

Braden Holtby hatte keinen schlechten Start in die Playoffs, er hatte zuerst einmal gar keinen Start. Doch nachdem der 28-jährige im zweiten Spiele gegen die Blue Jackets ins Tor der Capitals zurückkehrte, steigerte sich Holtby immer mehr. Sein bisheriges Meisterstück lieferte in Spiel sechs und sieben gegen Tampa ab, als er 53 Torschüsse abwehren konnte und zwei Partien hintereinander ohne Gegentor blieb. Insgesamt hielt Braden Holtby bisher 92,4 % der Torschüsse und kassierte 2,04 Tore pro Begegnung. Im Vergleich zu Fleury waren die Paraden von Holtby weniger spektakulär. Doch es ging für Washington bisher eher darum, dass ihr Torhüter keine groben Fehler begeht und nicht, dass er seiner Mannschaft ein Spiel „klaut“. Mit Marc-André Fleury jetzt allerdings ein Torwart zwischen den gegnerischen Pfosten, der bisher die Endrunde dominierte. Vielleicht muss auch Holtby in dieser Finalserie den einen oder anderen „unhaltbaren“ Puck fangen, damit die erste Meisterschaft möglich wird,

Überzahl oder Unterzahl?

Ergibt sich auf der Torhüterposition ein scheinbarer Vorteil für Vegas, so sind die Special Teams eher ein Pluspunkt für Washington. 29,8 % Powerplay sind die zweitbeste Quote in den Playoffs. Bei drei der vier Siege gegen Tampa trafen die Capitals in Überzahl. Vegas liegt mit 17 % Erfolgsquote mit mehr Spielern auf dem Eis gerade noch im Mittelfeld der Playoffteams.

In Unterzahl sind die Golden Knights mit 82,5 % das viertbeste Team. Washington liegt mit 75 % nur auf Platz 10. Allerdings mussten die Capitals sich gegen die Penguins und Lightning auch zwei der besten Überzahlformationen der NHL erwehren.

Entscheidend wird sein, wie die Schiedsrichter die Regeln in dieser Finalserie auslegen. Eine strengere Regelauslegung dürfte den Capitals helfen. Zwar kassieren beide Mannschaften je 71 kleine Strafen, aber Vegas absolvierte auf dem Weg zum Finale auch vier Partien weniger.

Zuhause oder Auswärts?

Obwohl die Fans der Vegas Golden Knights einen sehr guten Ruf haben, war die Heimbilanz in der regulären Saison nur marginal besser als die der Capitals. Die Ritter gewannen 29 Heimspiele, Washington 28. Allerdings sieht die Situation in den Playoffs deutlich anders aus. Vegas steht bei 6-1, die Capitals nur bei  4-5.

Las Vegas hat auch auf fremden Eis eine positive Bilanz von 6-2, hier sind die Capitals wiederum besser und gewannen acht von zehn Spielen in der Fremde. Der Heimvorteil der Golden Knights könnte sich als Vorteil für die Capitals erweisen, sollten sie, wie im Eastern Conference Final, eines oder sogar beide Auftaktspiele gewinnen.

Wer gibt die Anweisungen?

Auch der erste Rückstand in einer Playoffserie sorgte für keinerlei Panik bei Gerard Gallant und seinem Trainerteam. Nach der Niederlage in Spiel eins in Winnipeg zeigten sich die Golden Knights erneut nur von ihrer besten Seite. Die Mannschaft agiert vor allem defensiv unglaublich souverän und sicher. Dazu nervt das permanente Forechecking die gegnerischen Verteidiger, unterbindet den schnellen Aufbau und erzwingt Fehler die zu Chancen und Toren führen. Außerdem sind die Wechsel von Las Vegas teilweise so fließend und reibungslos, dass die andere Mannschaft über einen längeren Zeitraum im eigenen Drittel unter Druck gesetzt werden kann. Natürlich profitiert auch Gallant von den Leistungen von Fleury. Doch er hat die Defensive auch so ausgerichtet, dass Chancen kaum entstehen und direkt neutralisiert werden.

Wie Gallant hat auch Barry Trotz noch kein Team in ein Stanley Cup Finale geführt. Die Aufgaben die Trotz in den ersten drei Runden meistern musste, zeigen aber, dass der Faktor Erfahrung nicht immer entscheidend sein muss. Gegen Columbus ein 0-2 gedreht, den Titelverteidiger in sechs Spielen rausgeschmissen und das beste Team der Conference in sieben Partien niedergerungen. Obwohl die Capitals mehr Gegentore kassierten als Vegas, ist die defensive Identität der Mannschaft aus der amerikanischen Hauptstadt ähnlich beeindruckend. In entscheidenden Spielen lässt Washington bei fünf gegen fünf sehr wenig Chancen zu. Zudem lässt Trotz seine Stürmer die Verteidigung der anderen Mannschaften nicht nur mit Tempo, sondern vor allem körperlich unter Druck setzen.

Die Frage in diesem Finale wird sein, welcher der beiden Trainer mit Rückschlägen besser zu Recht kommt, und dann die entscheidenden Anpassungen vornehmen kann. Da Trotz in den Playoffs bisher die etwas größeren Herausforderungen zu meistern hatte, könnte das ein Vorteil für Washington sein.

Wie geht es aus?

Unwahrscheinlicher war vermutlich noch keine Finalserie in der Geschichte der NHL, und vielleicht sogar der gesamten nordamerikanischen Sportwelt. Die Neulinge empfangen die ewigen Verlierer. Beiden Mannschaften wird klar sein, dass dieses Finale vielleicht die einzige Chance in der Karriere auf eine Meisterschaft sein wird. Vegas fehlt allerdings der Frust und die Erfahrungen der Niederlagen, die die Capitals seit dem Beginn der Karriere von Alex Ovechkin prägten. Der könnte der entscheidende Faktor sein. Ovechkin ist 32. Während der gesamten Karriere wurde ihm vor allem von den kanadischen Journalisten Sidney Crosby und dessen Titel vor die Nase gehalten. Lässt sich Ovechkin die Chance entgehen, diesen Demütigungen ein für alle Mal zu beenden? Schwer vorstellbar. Die Capitals sind nicht auf dem Papier gut, sondern als Mannschaft auf dem Eis eine Einheit. Vegas  ist das auch, aber die Motivation in der Hauptstadt ist höher. Washington siegt in sechs Spielen.

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